Das „Fest der Freude“ ist vorbei – der Kater bleibt

Alles gut nach dem annus mirabilis 2013? Wie wär's 2018 mit einem Haus der Geschichte als Geburtstagsgeschenk für die Republik?

Das Jahr 2013 warf seine Schatten voraus: Monate zuvor schon waren die bevorstehenden Jahres- und Gedenktage Gegenstand interministerieller Kopfarbeit. Zwar sollte nicht gleich ein ganzes Gedenk- oder Gedankenjahr vom Zaun gebrochen werden, doch die Debatten um die Krypta des Heldentores und das geplante Deserteursdenkmal, die 2012 begleiteten, ließen es angeraten erscheinen, das Folgejahr und die ihm folgenden nicht sich selbst zu überlassen.

Heute kann man durchaus uneitel feststellen, dass die Gelegenheiten genutzt wurden. Des 12. Märzes, Tag des Anschlusses Österreichs an Hitler-Deutschland, wurde in so vielfältiger, kreativer und angemessener Weise gedacht, wie es ungewöhnlich wirkt in diesem Land, das gern tanzt und schwer gedenkt: Das Burgtheater lud zu einem von Hermann Beil gestalteten Abend, zahlreiche Häuser rund um den Heldenplatz zeigten das Video „Und du hast nie etwas gesehen“ von Nives Widauer, die Nationalbibliothek warf in der Ausstellung „Nacht über Österreich“ ergreifende Schlaglichter auf das Ereignis. Paul Divjak und Jürgen Weishäupl veranlassten, dass der Schriftzug „Schalom“ im Gras des Heldenplatzes wächst, die Wiener Philharmoniker arbeiteten ihre eigene Zeitgeschichte neu auf, die Akademie der Wissenschaften stellte sich in ungekannter Form ihrer Vergangenheit und enthüllte eine entsprechende Tafel. Schließlich fand in der Hofburg ein Staatsakt statt, bei dem Bundespräsident Heinz Fischer zur Vergangenheit Worte fand, die weltweit beachtet wurden.

Keine Zweideutigkeiten


Das war der erste Schritt. Dann folgte der 8. Mai, an dem über Jahre hin auf dem Heldenplatz das bedenklich-burschikose Totengedenken stattfand, das bei allem „De mortuis nil nisi bonum“ doch nie den Nimbus loswerden wollte, auch ein bisschen Trauer über die Niederlage des Tausendjährigen Reiches zu verbreiten. Aber 2013 war alles anders, und man fragt sich auch mit einem Selbstvorwurf: Warum erst jetzt?

Denn das „Fest der Freude“ der Wiener Symphoniker brachte erstmals tatsächlich jene Menschen an diesem Tag auf den Heldenplatz, die der Befreiung vom Nazi-Terror, der Wiedererlangung staatlicher Eigenständigkeit und der Einrichtung einer funktionierenden Demokratie uneingeschränkt Tribut zollen wollten. Keine Zweideutigkeiten, keine bigotten Erklärungen oder entwaffnenden Unverschämtheiten. Schlicht: Freude! Eben ein Fest.

Dass zeitlich parallel der Weiheraum und die Krypta im Heldentor, das dankenswerterweise auch den Namen Äußeres Burgtor trägt, umzugestalten begonnen wurden, dass nach langem Ringen um die letztlich erfolgreiche Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure nun auch ein dieser Opfergruppe gewidmetes Denkmal auf dem Ballhausplatz errichtet wird – all diese Initiativen lassen erhoffen, dass Österreich langsam auch in der zeitgeschichtlichen Selbstanalyse jenes Niveau erreicht, das erlangt zu haben es sich in zahllosen anderen Bereichen tagtäglich zugutehält.
Hoffentlich aus der Überlegung heraus, dass die Erforschung der Vergangenheit keine akademische Beschäftigungstherapie darstellt, sondern den Humus mündiger Bürgerinnen und Bürger bildet. Also, alles gut! Alles?

Da war doch noch etwas. Vielleicht ein Haus der Geschichte? Richtig! Seit mittlerweile etwa 15 Jahren dient dieses Vorhaben als lapidarer Dauerbrenner jeder Regierungserklärung. Stets war es ein „erklärtes Ziel“ der Bundesregierung, ein solches Haus der Geschichte, unter welchem Namen auch immer, zu verwirklichen.
Seither floss nicht nur viel Wasser die Donau hinunter und gaben sich nicht nur mehrere Regierungschefs die Klinke in die Hand, es wurden auch laufend Studien in Auftrag gegeben, deren weiteres Schicksal durch den schönen bürokratischen Ausdruck „temporieren“ ebenso adäquat wie euphemistisch beschrieben werden kann. Sie verschwanden mehr oder weniger allesamt – des auch finanziellen Aufwands ungeachtet – in ministerialen Schubladen.

Füllmaterial für Bene-Ordner


Selbst der nachhaltigste, plausibelste und in mühsam koalitionärem Ringen nachbearbeitete Versuch der Museumsplanungsfirma Lord (mit Claudia Haas) dient bis dato lediglich als Füllmaterial für ungeöffnete Bene-Ordner.
Angesichts solch lahmer Ambitionen und angesichts herannahender Nationalratswahlen muss man sich ernsthaft fragen, was im nächsten Regierungsprogramm zur genannten Thematik stehen wird. „Copy and paste“? Wieder ein „Bekenntnis zu“, ein „erklärtes Ziel“? Mehr noch: Was geschieht 2018, wenn die Republik ihr Hundert-Jahr-Jubiläum begeht? Gibt es dann einen Sonderministerrat? Wird über diesen 30 Sekunden lang auf ORF III berichtet werden?
Wird er von einem Regierungschef geleitet, der sich als stolzer Österreicher der deutschen Volksgemeinschaft zugehörig fühlt? Wird auf ein Regierungsprogramm verwiesen werden, worin sich schon aus Gründen wohlerworbener Rechte jenes Haus der Geschichte findet?

Ein Ort für politische Bildung


Oder gelingt es doch, das bereits vorhandene Konzept ernst zu nehmen? Eines, das darlegt, wie mit der Umsetzung zu beginnen wäre, welche Raumnutzung denkbar ist, welche Kosten anfallen, welchen Zeitplan man einhalten könnte und welches Zielpublikum erreicht werden soll? Das alles nämlich ist in dem 200-Seiter von Haas/Lord enthalten – wie jene wenigen Insider wissen, die es gelesen haben.

Zur Realisierung muss zunächst nicht einmal ein Haus gebaut werden, „Haus“ ist auch eine Metapher. Es geht um eine Einrichtung, wo die Zeitgeschichte dieses Landes zu Hause ist, einen Anlaufpunkt, einen Ort, der Wanderausstellungen zentral organisiert, zusätzliche Lehrmaterialien erarbeitet und für Auskünfte zur Verfügung steht. Kein Museum eben, sondern ein Ort für Bildung. Politische Bildung.

Dann aber freilich, wenn das Branding eines Hauses der Geschichte gegriffen hat, wird auch ein Ort erforderlich sein, der temporäre Ausstellungen ermöglicht, wo Diskussionsveranstaltungen stattfinden und Vorträge gehalten werden.
Vielleicht wäre es an der Zeit, einen Stufenplan nicht nur anzudenken, sondern anzugehen, erste konkrete Schritte zu wagen und das annus mirabilis 2013 dadurch zu krönen, dass ein Haus der Geschichte nach langen Wehen doch noch geboren wird.

Eine wahre „bombe surprise“


Was in Deutschland selbstverständlich und sogar auf der ach so schwerfälligen europäischen Ebene gelungen ist – sollte es nicht auch hierzulande möglich sein? Dann, und das ist möglicherweise das stärkste Argument, müsste es auch nicht mehr in den kommenden Regierungsprogrammen Unterschlupf finden. Und der frei gewordene Platz könnte sinnvoll genutzt werden. 2018 ein Haus der Geschichte als Geburtstagsgeschenk für die Republik? Eine wahre „bombe surprise“!


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