THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 19 - 2014   POLITIK 09.05.2014

 

"Nutzlose Betrüger": Norwegen stoppt 150 Mio. EUR Entwicklungsgelder an Ungarn

Die norwegische Regierung hat heute entschieden, die weitere Ausschüttung von Geldmitteln aus dem mit der EU vereinbarten Fonds für die östlichen EU-Mitgliedsländer vorerst auszusetzen. Damit reagiert Oslo auf den Vorwurf von Orbán-Adjudant Lázár, Norwegen mische sich über NGO´s in die "inneren Angelegenheiten Ungarns" ein. Lázár hatte - wie bei den EU-Milliarden - kurzerhand die Zuständigkeit für die Vergabe der Mittel vom Entwicklungsministerium auf seine Behörde umgelegt und dachte, er könne seiner Partei so den exklusiven Zugriff sichern.

Der norwegische EU-Minister Helgesen stoppt die Zahlungen an Ungarn.

Mit diesem einseitigen Schritt der Aufsichtsübertragung bricht Ungarn, so die norwegische Sicht, die mit Norwegen, Liechtenstein und Island geschlossene Vereinbarung (eine ähnliche gibt es mit der Schweiz, Sinn war und ist, dass diese Nicht-EU-Staaten auch etwas für die Entwicklung der Ostländer leisten, da Sie ebenfalls von der EU-Osterweiterung profitieren, ohne dafür die gemeinschaftlichen Lasten mitzutragen.).

Bereits Ende April hatte das norwegische Außenministerium die von Staatssekretär Lázár vorgebrachten Anschuldigung der "Einmischung in innere Angelegenheiten" als "überraschend" und "nicht zutreffend" bezeichnet, nun zog die Regierung in Oslo die Konsequenzen. Das Verhalten (Lázárs) sei inakzeptabel, das Geld werde bis zur Klärung zurückgehalten, sagte der EU- und EWG-Minister des Landes, Vidar Helgesen heute. (
Pressemitteilung des norwegischen Außenamtes, engl.)

Norwegen trägt 97% des Anteils am Fonds, in dem für die kommenden sieben Jahre allein für Ungarn rund 153,3 Mio. EUR bereitstehen, von denen bereits 12 Mio. ausbezahlt wurden. Die meisten Projekte drehen sich um den Bildungs- und Betreuungsbereich in sozial benachteiligten Gruppen und Regionen sowie den Bereich erneuerbare Energien etc. Lázárs Ausfälle treffen also wieder einmal die Schwächsten der Gesellschaft sowie progressive Perpektiven für das Land. Hier eine Liste der Projekte.

Der Hintergrund: in dem durch Orbáns Amtschef János Lázár entmachteten ministeriellen Entscheidungsgremium für die Norwegen-Gelder saßen bzw. sitzen auch vier NGO´s mit Stimmberechtigung, ein expliziter Wunsch des "Norwegischen Bürgerfonds", darunter befindet sich auch die Ökotárs Stiftung, die als der grünen Partei LMP nahestehend angesehen wird, so wie auch den Nationalkonservativen und anderen Strömungen nahestehende Gruppen - und natürlich ministerielle Regierungsvertreter.

Staatssekretär Lázár echauffierte sich vor den Wahlen - ganz in Putinscher Manier - dass Norwegen "über diese NGO´s" Gelder für die Entwicklung Ungarns an politische Oppositionsgruppen auszahle und sich so "in die inneren Angelegenheiten des Staates einmischt". Er wolle durch eine Systemänderung diese Einflussnahme westlicher Liberaler auf Ungarn beenden und unterstellte die Geldvergaben der Nationalen Entwicklungsagentur sowie der Entwicklungsbank, beides Einrichtungen, die seit letztem Mai bzwe. August
direkt unter seiner Kontrolle stehen und damit im Amt des Ministerpräsidenten angesiedelt sind. Mit einem ähnlichen Vorgehen hinsichtlich der EU-Milliarden, hatte sich Ungarn gerade einen Warnschuss von der EU-Kommission eingehandelt, die ebenfalls mit dem Einfrieren der Fonds drohte, bis wieder transparente Verhältnisse hergestellt seien.

Die als Drahtzieher bezichtigte die oppositionelle LMP weist die Anschuldigungen der "Fremdfinanzierung" als völlig absurd zurück. In Wirklichkeit, so der LMP-Chef Schiffer, geht es doch Lázár nur darum, dass seine Partei und deren Günstlinge auch auf diese letzte Quelle ausländischer Mittel direkten Zugriff erhalte. Noch einen drauf setzte der FIDESZ-Vizestaatssekretär Nándor Csepreghy, die rechte Hand Lázárs bei der Geldverteilung, Ende April, als er die NGO´s eine "nutzlose Gruppe von parteiischen Betrügern" nannte.

 

Die Vertreter von Ökotárs und der anderen drei NGO´s aus der ministeriellen Kommission - darunter auch eine explizit regierungsnahe - verwahrten sich gestern nochmals in einem Brief gegen die Vorwürfe Lázárs und Csepreghys und nahmen dabei ihre ministeriellen Partner (also Fidesz-Leute) ebenfalls in Schutz, die bei der Projektabwicklung und -finanzierung hohe Professionalität an den Tag gelegt hätten und die die Parteispitze nun ebenfalls beleidige. Man lud Lázár ein, etwas über die Tätigkeit der Kommission bei einem Besuch vor Ort zu lernen, was auch hilfreich für die eigenen Vergabepraktiken bei EU-Mitteln sein könnte. Csepreghy aber solle sich zumindest für seinen Ausfall entschuldigen. Der norwegische Minister fügte noch an, dass sich Ungarn mit einer Lösung beeilen solle, um "größere Verluste" zu verhindern.

Was machen die Norweger in Ungarn? Interessante und umfangreiche Infos auf dieser (engl) Projekt-Webseite.

red.

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